Leon Schenester hat klare Ziele:
„Ich habe von der Handwerkskammer ein Stipendium bekommen und damit möchte ich meinen Meister machen.“
iNews⟩Fokusthemen⟩Fach- und Nachwuchskräfte
Auch im Rhein-Main-Gebiet fehlen weiterhin Fach- und Nachwuchskräfte. Grund ist nicht nur das verhaltene Interesse an einer handwerklichen Ausbildung: Einige junge Leute erfüllen die dafür notwendigen Anforderungen nicht. Doch was kann man tun und welche Erwartungen haben eigentlich junge Menschen an die Arbeitswelt von morgen? Anlässlich ihrer Freisprechung haben wir mit drei der Innungsbesten aus dem SHK- und Elektrohandwerk über Motivation und Chancen gesprochen.
Manchmal gibt das Leben die Richtung vor. Etwa bei Leon Schenester, der schon als Schüler großes Interesse an Mathe und Physik zeigte und dann über einen Freund der Familie zur Elektronik kam. Ob die Details seiner künftigen Karriere wohl damals bereits vorgezeichnet waren? Seine Ausbildung hat er jedenfalls erfolgreich gemeistert. Nun hat er sein nächstes Ziel fest im Blick: den Meister-Titel. Mit viel Rückenwind blicken Leon und die anderen Gesellinnen und Gesellen optimistisch in ihre berufliche Zukunft. Am 1. April wurden sie bei der Freisprechungsfeier der Innung für elektro- und informationstechnische Handwerke Frankfurt freigesprochen.
Eine Zukunft, die hervorragend aussieht. Davon ist zumindest ZVEH-Präsident Stefan Ehinger überzeugt: „Denn in einer Welt, die im Zuge von Digitalisierung und Energiewende immer elektrischer wird, erfreut sich e-handwerkliches Können großer Nachfrage. Es braucht unser Gewerk und dessen Know-how.“
Der Landesinnungsmeister und zugleich Präsident des Fachverband Elektro- und Informationstechnik Hessen/Rheinland Pfalz betonte in seiner Ansprache auch die Wichtigkeit des Elektrohandwerks zur Umsetzung der Energiewende: „Das e-handwerkliche Einsatzgebiet ist riesig. Mit unserer Arbeit – mit der Installation von PV-Anlagen, Speichern, Wärmepumpen und Energiemanagementsystemen – leisten wir einen wichtigen Beitrag, um unser Land bis 2045 klimaneutral zu machen.“
Während der Corona-Pandemie mussten viele Betriebe ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Das hatte zur Folge, dass sich manch einer für einen Berufswechsel entschied. So wie Miriam Fey zum Beispiel: Die 28-Jährige machte zunächst eine Ausbildung zur Hotelfachfrau mit Zusatzqualifikation im Management. Aufgrund der pandemiebedingten Kurzarbeit nutzte sie die freie Zeit zu Hause für kleine Reparaturen. Dabei faszinierte sie besonders die Arbeit mit Elektrik. So entschied sie sich für eine Ausbildung als Informationselektronikerin. Dass sie sich dabei in eine Männerdomäne vorwagte, war für sie kein Hindernis. Man müsse auch „keine Technik-Expertin“ sein: „Das Wichtigste ist, dass man Interesse daran hat und neugierig ist.“ Offenbar die richtige Entscheidung: Die einzige weibliche Gesellin beendete ihre Ausbildung beim Hessischen Rundfunk nun erfolgreich als eine von drei Innungsbesten.
Angst vor der Zukunft haben die Absolventen nicht. Warum auch? Arbeit gibt es zur Genüge. Die Innungsbesten gehen sogar einen Schritt weiter: Alle drei können sich den Weg in die Selbständigkeit gut vorstellen. Anlagenmechaniker Thomas Breen hat diesen Schritt bereits gewagt: „Da ich mich mit meinen Vorgesetzten im Ausbildungsbetrieb nicht einigen konnte, habe ich mein eigenes Unternehmen gegründet, bin nun Geschäftsführer meines eigenen Sanitärbetriebs und plane, noch in diesem Jahr mit dem Meister zu beginnen.“
Doch leider sind diese Beispiele eher die Ausnahme. Denn mit dem Schulabschluss stehen einem heute viele Türen offen – das Handwerk befindet sich hier also in großer Konkurrenz zu anderen Berufsgruppen. Dass trotzdem weiterhin Bewerbungen bei den Ausbildungsbetrieben eingehen, macht die Sache keineswegs zum Selbstläufer: Ein nicht unerheblicher Teil der Bewerberinnen und Bewerber erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Berufsausbildung, ein weiterer Teil hat schlicht ein falsches Bild von der Zeit als Azubi im Kopf. Dies sind zwei Hauptgründe, warum im deutschen Handwerk 2024 laut ZDH-Präsident Jörg Dittrich rund 19.000 Ausbildungsplätze unbesetzt geblieben sind.
Doch was ist jungen Menschen eigentlich wichtig in einer Ausbildung und der Berufswelt von morgen? Bei den Gesprächen mit den Innungsbesten wurde vor allem deutlich, dass ein gutes Arbeitsklima sowie die Beachtung der eigenen Lebensumstände Vorrang haben. „Viele Betriebe sind nicht mitarbeiterfreundlich, was die Berufe unattraktiv macht“, so Thomas Breen. „In der Ausbildung sollten Betriebe dafür sorgen, dass Azubis von qualifizierten Gesellen angeleitet werden und nicht nur zusehen.“ In einem anderen Punkt waren sich ebenfalls alle einig: Man lernt nie aus. „Die Zeit ist so schnelllebig, dass man sich immer weiterbilden muss, um im Berufsleben mithalten zu können“, so Miriam Fey.
Das kann ZVEH-Präsident Stefan Ehinger nur bestätigen: „Wer früher ausgelernt hatte, konnte mit dem Wissen aus seiner Ausbildung mitunter gut durchs Berufsleben kommen. Doch heute geht es um lebenslanges Lernen. Darum, sich immer auf dem neuesten Stand einer hochdynamischen Technik zu halten, unterschiedliche Systeme miteinander zu vernetzen und sich immer wieder an neue Märkte und Geschäftsfelder anzupassen.“
Umso wichtiger ist es, über das Handwerk und seine Vielschichtigkeit zu informieren und dafür zu werben. Diesen Auftrag richtete auch Stefan Ehinger in seiner Rede an die Gesellin und die Gesellen: „Ich bitte Sie, werden Sie zu Botschaftern für unser Gewerk. Werben Sie auch in Ihrem weiteren Berufsleben für eine e-handwerkliche Ausbildung.“
Etablierte Angebote wie Schulpraktika und Aktionstage, an denen Schülerinnen und Schüler ins Berufsleben hineinschnuppern können, helfen zusätzlich. Ein wichtiger Baustein in vielen Handwerksberufen ist die betriebliche Einstiegsqualifizierung (EQ) für eingeschränkt vermittelbare Bewerberinnen und Bewerber. Diese bekommen im Rahmen eines vier- bis zwölfmonatigen dauernden, finanziell geförderten Praktikums die Möglichkeit, sich zu beweisen und den angestrebten Ausbildungsberuf näher kennenzulernen. Ebenfalls in diese Richtung weist das Förderprogramm „Passgenaue Besetzung und Willkommenslotsen“. In dessen Rahmen arbeiten bei teilnehmenden Organisationen angestellte Beraterinnen und Berater zielgenau an der Suche, Auswahl und Besetzung offener Ausbildungsplätze. Hierbei spricht man gezielt auch Zugewanderte sowie Menschen mit Fluchthintergrund an.
Bei der Elektroinnung geht man mit den „Welcome Tagen“ noch einen Schritt weiter in der Ausbildungsoffensive. Die zweitägige Veranstaltung richtet sich an Azubis, die gerade ihre Ausbildung begonnen haben, und soll den Übergang von der Schule ins Berufsleben erleichtern. „Bei Betriebsbesuchen stellten wir häufig fest, dass die Jugendlichen und die Ausbildungsleiter oft nur schwer zu einem gemeinsamen Modus finden. Dies führt dann zu Problemen in der Ausbildung oder sogar zum Abbruch. Die Welcome Tage steuern dem entgegen“, so Innungs-Geschäftsführer Mirko Krebs, der die Veranstaltung organisiert und moderiert.
Unterstützt wird er von dem stellvertretenden Ausbildungsbeauftragten Bryan Treberg (Firma W.H. Müller) und von Sinah Schmitt (Firma Elektro Ehinger). Beide engagieren sich ehrenamtlich bei der Organisation. „Wir nehmen als Mentoren an der Veranstaltung teil und führen zugleich als erfahrene Ausbilder durch das Seminar. Zu dritt bilden wir das Team der Welcome Tage, das mit viel Herzblut den jungen Menschen den Einstieg ins Berufsleben erleichtern möchte.“
Neben einem Motivationstraining geht es bei dem „Azubi-Knigge-Kurs“ – wie Mirko Krebs ihn gerne nennt – auch um den typischen Ausbildungsalltag, Strategien zur Konfliktlösung beziehungsweise -vermeidung sowie um Grundlagen der Arbeitssicherheit. Außerdem informiert die Innung über weitere Unterstützungsmöglichkeiten im Verlauf der Ausbildung, etwa zu passgenauen, kostenfreien Nachhilfekursen.
In diesem Jahr finden die Welcome Tage vom 1. bis 2. September statt. Dabei werden die Kosten von 149 EUR pro Azubi von den Ausbildungsbetrieben übernommen. Interessierte können sich gerne an Mirko Krebs und sein Team wenden.
… bis dahin ist es ein langer Weg. Doch die Gespräche haben gezeigt: Ist der Schritt in die Ausbildung erst einmal getan, kommt der Reist meist von allein. Vielleicht nicht immer bis hin zum Meistertitel, der Großteil der Auszubildenden jedoch erkennt die Vorteile einer Handwerkskarriere und entscheidet sich langfristig für diesen Beruf. Wichtig ist es also, gezielt junge Menschen anzusprechen, über das Handwerk als möglichen Traumjob zu informieren und auf die Bedürfnisse junger Leute einzugehen.
„Ich habe von der Handwerkskammer ein Stipendium bekommen und damit möchte ich meinen Meister machen.“
„Handwerk ist nur schwer durch KI zu ersetzen. Und das kann nicht jeder Beruf von sich behaupten.“
„Technik ist kein Männerding, sondern eine Frage von Interesse und Motivation. Es macht Spaß, an Geräten zu arbeiten, Fehler zu finden und Dinge zum Laufen zu bringen. Und es ist ein tolles Gefühl, wenn man am Ende sieht, was man geschafft hat.“ (Miriam Fey hier mit Obermeister Marcel Schmitt.)
„Man hat ausgezeichnete Aufstiegschancen und einen Beruf, der immer gebraucht wird – denn warmes Wasser und eine funktionierende Heizung kann keine KI bauen oder reparieren.“
„Es freut uns, dass wir die jungen Menschen vom ersten Tag der Ausbildung bis zur Überreichung des Gesellenbriefs immer wieder vor uns haben und sie als Innung durch die Ausbildung begleiten.“